Praktisches Eintesten von Film/Entwickler-Kombinationen

Zonensystem - Nein Danke


Thomas Wollstein
Februar 2002


Mit der Überschrift habe ich mir sicher wieder ein paar mehr Freunde gemacht! Ich weiß, es gibt eine Menge Leute, die auf das Zonensystem schwören, und die auch der Meinung sind, man könne (oder müsse?) es bei KB- und Rollfilm anwenden. Meine Antwort darauf ist eine Adaptierung eines Zitats aus einem Werbefilm eines bekannten Reiseveranstalters: Man kann im Prinzip! - aber man muss nicht!

Dieser Artikel umfasst einen einführenden Teil, in dem ich meine (teilweise) Ablehnung des Zonensystems begründe, und einen praktischen Teil, in dem ich Ihnen verrate, wie Sie Ihre Film/Entwickler-Kombinationen eintesten können. Wenn Sie meine zur Motivation gedachte Vorrede nicht interessiert, lesen Sie bei der Überschrift "Praktisches Eintesten von Film/Entwickler-Kombinationen" weiter.

Das Zonensystem ist heute überflüssig!

Ich habe Ansel Adams nicht persönlich gekannt. (Diesen Nachteil teile ich vermutlich mit den meisten der Autoren, die als Trittbrettfahrer Bücher über das Zonensystem verfasst haben.) Daher kann ich mir meine Meinung nur auf der Basis von Informationen aus zweiter Hand bilden. Die Argumentationskette lautet so:

Das Zonensystem wurde von einer Reihe von Fotografen entwickelt und ist in der heute gepredigten Form mit dem Namen von Ansel Adams (oft auch Sankt Ansel genannt) verknüpft. Es betrifft nicht nur die Belichtung und Entwicklung des Negativs, sondern letztendlich den gesamten Prozess von der Aufnahme bis zum fertigen Bild. Sein Anwendungsbereich war die Großformat-Fotografie, wo man jedes einzelne Negativ individuell entwickelt. Die Möglichkeit, auf einem Film 12 bis 36 Aufnahmen zu haben, die unter teilweise erheblich differierenden Licht- und Kontrastverhältnissen aufgenommen wurden, ist im Zonensystem streng genommen nicht vorgesehen. Es gibt gewisse Kunstgriffe (mehrere Kameragehäuse oder -rückenteile, das Zerschnipseln von Film in Abschnitte mit ähnlichem Kontrast usw.), um dem wieder abzuhelfen, aber das ist aus meiner Sicht nicht unbedingt erforderlich und teilweise nicht praktikabel.

Wo keine Zeichnung im Negativ ist, können auch alle Tricks keine hinzaubern. Die Belichtung eines Negativs wird daher in erster Linie durch die Schatten vorgegeben. Die Lichter liegen dann bei gegebener Beleuchtung da, wo sie eben liegen.

Die zu Ansel Adams' Zeiten verfügbaren Filme hatten nun nur einen recht kurzen linearen Abschnitt in ihrer Schwärzungskurve, was bedeutet, dass bei kontrastreichen Motiven der Kontrast in den Lichtern übermäßig stark abnahm, die Lichter also keine feinen Nuancen mehr zeigten, sondern ab einer Schwelle einfach papierweiß wurden. Das sieht oft nicht toll aus. Die Lichtverhältnisse in der Landschaft konnte (und kann) man nicht beeinflussen, aber man konnte die Lichter bremsen, indem man die Entwicklung anpasste.

Der umgekehrte Fall, dass die Lichter nur wenig über den Schatten lagen, ist nicht ganz so kritisch, da alles auf dem linearen Abschnitt der Schwärzungskurve des Films liegt, aber man kann das Bild optimieren, indem man dann den Lichtern auf die Sprünge hilft, ebenfalls durch Anpassung der Entwicklung.

Die aktuellen Filme sind mit den damaligen kaum noch zu vergleichen. Das betrifft nicht nur das Filmkorn, das viel feiner geworden ist, sondern auch die Schwärzungskurve: In seinem Buch "Das Negativ" schrieb Ansel Adams, dass es schon damals Filme gab, die über den als normal betrachteten Bereich von 10 "Zonen" (= Blendenstufen) hinaus lineare Schwärzungskurven hatten. Heute ist das eher die Regel als die Ausnahme. Aktuelle Filme bilden (je nach Entwickler) weit größere Kontraste linear ab. Meine eigenen Erfahrungen zeigen, dass lineare 13 Zonen nicht einmal selten sind. Dafür reagieren heutige Filme i. d. R. viel empfindlicher auf Änderungen der Entwicklung als frühere.

Es bleibt natürlich dabei, dass Papierbilder nur einen begrenzten Kontrastumfang wiedergeben können, aber es hat sich seit damals auch bei den Papieren einiges getan. Mit den aktuellen kontrastvariablen Materialien lässt sich die Zeichnung in "Zone 13" durch lokale Nachbelichtung mit weicherer Gradation wesentlich einfacher in den Wiedergabeumfang des Papiers packen als ehedem, ohne dass deswegen flaue Schatten entstehen müssen.

"Wenn nach oben soviel Spielraum besteht, kann ich ja ganz locker im Zweifel überbelichten!" Das könnten Sie jetzt denken. ABER: Mit zunehmender Belichtung nimmt das Filmkorn zu und die Auflösung durch Lichthöfe ab. Belichten Sie also immer so wenig wie möglich, aber soviel wie nötig.

Und noch etwas anderes: Nach den Aussagen verschiedener Zeitgenossen Adams' war das Zonensystem in erster Linie als didaktisches Hilfsmittel für die Ausbildung angehender Fotografen gedacht, auf keinen Fall aber als Religion. Als Lernsystem ist es auch eine tolle Sache. Haben Sie es einmal verstanden, ist Belichtung kein großes Problem mehr für Sie. Sie können dieses Ziel aber auch anders - aus meiner Sicht einfacher - erreichen.

Abschließend muss ich noch mit einem Mythos aufräumen: Viele Fotografen verstehen das Zonensystem so, dass jedes Motiv ungeachtet der Lichtverhältnisse in gleicher Weise auf die volle Tonwertskala von Schwarz bis Weiß expandiert oder komprimiert werden müsse, die sich dann auch noch mit Papier der Gradation 2 ohne irgendwelche Manipulationen ergeben müsse. So ein Blödsinn! Das war von Ansel Adams nie gewollt! Das Zonensystem sollte ein Mittel sein, eine gewünschte Bildaussage zu erreichen. Wollte der Fotograf ein Bild, das nur einen Teil der vollen Tonwertskala umfasste, sollte er auch das hinbekommen können. Und wenn Sie "Das Positiv" lesen, werden Sie feststellen, dass kaum eines von Adams' Bildern ohne mehr oder weniger umfangreiche Nachbelichtungen und Abwedeleien entstanden ist.


So, nach dieser umfänglich geratenen Vorrede der kurze praktische Teil dieses Artikels:

Praktisches Eintesten von Film/Entwickler-Kombinationen

Eigentlich müsste ich diese Überschrift erweitern: Sie testen nämlich nicht nur Ihre Film/Entwickler-Kombination, sondern auch Ihr ganzes Vorgehen und auch Ihren Belichtungsmesser mit ein. (Siehe zum Vorgehen beim Entwickeln meinen Artikel "Entwicklungshilfe" ) Wenn Sie also Ihre Filmempfindlichkeit und Entwicklungszeit nach eigenen Tests herausgefunden haben, gelten die Werte zunächst nur für die Kombination von Film,

Anmerkung: Änderungen bei der Hardware (Belichtungsmesser) sind dabei noch am einfachsten zu berücksichtigen: Wenn Sie einen anderen Belichtungsmesser benutzen möchten, verschaffen Sie sich durch Vergleichsmessungen desselben Motivs (z. B. der berühmten Graukarte) einen Überblick darüber, welche systematischen Abweichungen zwischen den Geräten bestehen. Streng genommen sollte zwischen zwei guten Belichtungsmessern über den gesamten Messbereich eine konstante Abweichung bestehen, d. h. wenn bei mittleren Lichtwerten zwischen den Belichtungsmessern A und B eine Abweichung von 1 Blende besteht, sollte diese auch bei hohen und niedrigen Lichtwerten auftreten. De facto liegen aber - besonders am unteren Ende der Skala (d. h. bei wenig Licht) oft signifikante Abweichungen von diesem Verhalten vor. Da müssen Sie dann entweder dem einen oder dem anderen Belichtungsmesser einfach glauben oder zur Sicherheit eine Belichtungsreihe machen.

Um Ihnen ein Gefühl zu geben, mit welchen Abweichungen Sie rechnen müssen: Die Ausgangskontrolle eines bekannten Kameraherstellers verlangt z. B., dass die eingebautem Belichtungsmesser der einzelnen Geräte um nicht mehr als eine Drittelblende von einem Sollwert abweichen. Das kann heißen, dass die zwei gleichen Kameras dieses Herstellers, die Sie verwenden, um bis zu zwei Drittelblenden von einander abweichen können, nämlich die eine um 1/3 nach oben vom Sollwert, die andere um dasselbe nach unten. Den Unterschied kann man schon merken.

Vorbereitung

Sie können die Testerei auf zwei Arten durchführen: Formal, d. h. mit einem Testmotiv, oder "einfach so", d. h. indem Sie einfach Ihre üblichen Aufnahmen machen. Letzteres ist repräsentativer für die Praxis und nicht so trocken. Ich werde mich also an diese Methode halten.

Testmethode "einfach so"

Schritt 1: Bestimmung der Filmempfindlichkeit

Stellen Sie am Belichtungsmesser die Nennempfindlichkeit ein, die der Filmhersteller angibt. Fotografieren Sie Ihre üblichen Motive, nur machen Sie von jedem Motiv zusätzlich eine Aufnahme mit Belichtungskorrektur um +1 Blende und eine mit Korrektur um -1 Blende. Entwickeln Sie den Film nach Herstellerempfehlungen. Vergrößern Sie die Bilder. Sie werden schnell merken, ob Ihnen die Bilder ohne Korrektur oder die über- oder unterbelichteten besser gefallen. Achten Sie besonders darauf, ob die Schatten durchgezeichnet sind.

Gefallen Ihnen z. B. die um 1 Blende gegenüber der Herstellerempfehlung überbelichteten Bilder am besten, stellen Sie beim nächsten Versuch am Belichtungsmesser eine um eine Stufe verringerte Filmempfindlichkeit ein, also z. B. bei einem Ilford Delta 400 statt der Nennempfindlichkeit ISO 400/27° nun ISO 200/24°.

Entsprechend gilt bei der Korrektur um -1 Blende beim nächsten Versuch ISO 800/30° als neue Basis. Sind die unkorrigierten Bilder am besten, ist die Nennempfindlichkeit für Sie die Empfindlichkeit.

Sollte sich kein einheitliches Bild ergeben, d. h. sind die Bilder mit Korrektur um +1 Blende in manchen Fällen besser, in anderen wieder die nicht korrigierten, und in noch anderen die um -1 Blende korrigierten, liegt das daran, dass Sie erst einmal messen lernen müssen. Dazu später noch ein Wort.

Schritt 2: Bestimmung der Entwicklungszeit

Sie belichten nun mit der nach Schritt 1 bestimmten Empfindlichkeit einen Film, und entwickeln ihn wieder mit der bei Schritt 1 verwendeten Zeit. Vergrößern Sie die Bilder. Machen Sie sich dabei akribische Notizen über Gradation und eventuelle Probleme, hier oder dort Durchzeichnung zu erzielen.

Stellen Sie fest, dass Sie recht oft zu sehr weichen Gradationen greifen oder nachbelichten müssen, um die Lichter unter Kontrolle zu halten, ist der Kontrast zu hoch. Sie senken ihn, indem Sie den Film beim nächsten Versuch um rund 15 % kürzer entwickeln.

Merken Sie umgekehrt, dass Sie im Trend eher zu harten Gradationen greifen müssen, ist der Kontrast zu gering. Sie steigern ihn, indem Sie den Film beim nächsten Versuch um rund 10 % länger entwickeln.

Brauchen Sie im Mittel meist Gradation 2 oder 3 und kommen ohne aufwendige Manipulation aus, ist alles in Butter. Sie haben Filmempfindlichkeit und Entwicklungszeit, wie Sie sie brauchen.

Schritt 3 (fakultativ) Feinabstimmung

Netterweise berühren nicht zu große Änderungen der Entwicklungszeit die Filmempfindlichkeit kaum. Die Änderungen bewegen sich meist im Rahmen von 1/3 bis 2/3 Blenden. Wenn Sie es aber genau nehmen wollen, gehen Sie jetzt zurück zu Schritt 1 und beginnen den Test neu mit Ihrer Filmempfindlichkeit und Ihrer Entwicklungszeit. Jetzt sollten die Vergleichsaufnahmen nicht mehr um eine ganze Blende gegenüber der Messung über- und unterbelichtet werden, sondern, da es sich um Feinabstimmung handelt, um eine 1/2 bis 1/3 Blende. Stellen Sie nun fest, dass Sie die Empfindlichkeit korrigieren müssen, korrigieren Sie folgerichtig nur noch um 1/3 bis 1/2 Blende in der nötigen Richtung. Damit sollten Sie mit dem Testen durch sein.

Die Sinnfrage

Wenn Sie mit den Ergebnissen, die Sie derzeit mit Ihrem Material und Ihrer Vorgehensweise erzielen, zufrieden sind, brauchen Sie sich von niemandem dazu überreden lassen, Tests zu machen. Tests sind Mittel zum Auffinden und Lösen von Problemen, nicht Selbstzweck.

Wie bereits angesprochen, kann es sein, dass Sie bei Schritt 1 keinen einheitlichen Trend erkennen. Das zeigt Ihnen Probleme in Ihrer Messpraxis auf. Es macht nur dann Sinn, die Filmempfindlichkeit um Bruchteile von Blendenschritten zu verstellen, wenn Sie auch tatsächlich bei einem Motiv bei zwei Messungen zweimal ungefähr dasselbe messen. Sie müssten sich in einem solchen Fall also kritisch mit Ihrer Messpraxis auseinandersetzen. (Das könnte das Thema eines weiteren Artikels werden.) Der Test war dann trotzdem sinnvoll, denn er hat das Problem lokalisiert.

Kontrastanpassungen in Einzelfällen

Haben Sie tatsächlich einmal einen Film zu entwickeln, auf dem alle Fotos extrem kontrastreiche oder extrem kontrastarme Motive enthalten, lohnt es sich vielleicht doch, diesen Film angepasst zu entwickeln. Dazu können Sie ohne Test einfach ins kalte Wasser springen und z. B.

  1. zu kontrastreiche Filme um 15 % weniger als normal entwickeln und
  2. zu kontrastarme Filme um 10 % länger als normal entwickeln.

Optimalerweise sollten Sie in Fall (a) schon bei der Aufnahme eine Drittelblende an Belichtung zugeben (also überbelichten oder die am Belichtungsmesser eingestellte Filmempfindlichkeit um diesen Betrag reduzieren) und in Fall (b) entsprechend knapper belichten.

Sie können natürlich auch diesen Ausnahmefall eintesten, aber meist lohnt das nach meiner Ansicht den Aufwand nicht.

Ach ja, noch eine Ausnahme am Ende: Mit Zweibad-Entwicklern können Sie sich Schritt 2 sparen. Aufgrund ihres Funktionsprinzips lässt sich der Kontrast bei solchen Entwicklern nicht in gewohnter Weise durch Anpassungen der Entwicklungszeit steuern. Hier können Sie Schritt 1 durchführen, um Ihre Filmempfindlichkeit herauszufinden (die typischerweise um 1/2 bis 1 Blendenschritt höher liegen wird als die mit anderen Entwicklern). Zweibad-Entwickler halten hohe Kontraste im Zaum, wirken also ausgleichend, sind aber entsprechend nicht optimal für Negative mit geringem Kontrast.