Nähe und Distanz Erschienen in der SCHWARZWEISS 124 (Juni/Juli 2018) Gerade in der Architekturfotografie spielt der Aufnahmestandpunkt eine entscheidende Rolle. Otto Beyer hatte in Frankfurt die seltene Gelegenheit vom Dach eines entkernten Gebäudes im Herzen der Stadt mit der Großformatkamera zu fotografieren und dabei gelangen ihm eine Reihe von detailreichen Aufnahmen der Main-Metropole. |
Wir alle hören und lesen in den Nachrichten fast täglich wie schwierig es in Ballungszentren ist, eine passende Wohnung zu finden. Beim Preis kommt Frankfurt mit etwas Abstand gleich hinter dem absoluten Spitzenreiter München. Bei einem aktuellen Bauprojekt in Frankfurt hatte ich mit Unterstützung des verantwortlichen Projektleiters Gelegenheit, Aufnahmen zu machen. Ein 9-geschossiges Gebäude in zentraler Lage sollte abgerissen werden und an seiner Stelle soll ein ähnlich hohes Gebäude mit Eigentumswohnungen entstehen.
Die Lage des Objekts ist außergewöhnlich: 100 Meter entfernt kann man an der Uferpromenade des Mains spazieren gehen. Auf der anderen Seite des Mains finden sich das Museumsufer mit seinen 13 Museen und Sachsenhausen, bekannt für seine Apfelweinwirtschaften. Nach 300 Metern in die andere Richtung ist man am Hauptbahnhof mit kurzem Weg zum Flughafen, 500 Meter hat man zu Oper und Schauspiel und etwa 800 Meter zur Innenstadt mit seinen bekannten Einkaufsmöglichkeiten und kulturellen Events. Die hohe Attraktivität des Objekts kann man auch daran erkennen, dass, bevor das Vertriebsbüro eröffnet war, schon 40 Prozent der geplanten Wohnungen in festen Händen waren.
Nachdem das ursprüngliche Gebäude entkernt war, kam der große Moment. Um hochwertige und detailreiche Bilder in größeren Formaten zu ermöglichen wurden perspektivisch korrigierte Aufnahmen mit einer Großformatkamera auf Schwarzweiß-Film im Format 4x5" belichtet.
Die erste Herausforderung war es die etwa 40 Kilogramm schwere Ausrüstung auf das Dach des entkernten neunstöckigen Gebäudes zu schaffen. Strom und damit ein Fahrstuhl standen nicht mehr zur Verfügung. Es wurden in etwa jede Himmelsrichtung eine Aufnahme im Querformat aufgenommen und dann sechs Aufnahmen im Hochformat mit ausgewählten Sichtachsen. Damit konnte das »Mittendrin« des Gebäudes augenfällig dokumentiert werden.
Anhand von Probeabzügen wurden in einem ersten Durchgang die vier Querformate und ein Hochformat für eine Verwendung im Vertriebsbüro ausgewählt. Die Negative wurden eingescannt und im Format 50x60 cm auf Alu-Dibond ausgedruckt. Die Bilder kamen so gut an, dass im Nachgang zusätzlich eine weitere Hochformataufnahme von der Frankfurter Skyline im Format 90x120 cm geordert wurde. Hier kam ein Hasselblad-Scanner zum Einsatz und selbst bei dieser Bildgröße (etwa 10-fache Vergrößerung) waren die Schärfe des Drucks beeindruckend hoch und das Korn weiter unbedeutend. Das Auge kann im Bild auf Entdeckungsreise gehen und wird von vielen Details überrascht, die vorher gar nicht aufgefallen sind.
Bitte bedenken Sie dass der große Detailreichtung einer Vergrößerung von einem Großformatnegativ bei einer stark verkleinerten Internetdarstellung merklich leidet.
Blickrichtung Nord-Ost: Frankfurt, das Zentrum der rührigen Rhein-Main-Region, ist als Verkehrsknotenpunkt durch eine ständige Weiterentwicklung gekennzeichnet. Schon die allgegenwärtige Bautätigkeit sorgt für stetige Veränderung. Im Hintergrund ist die Oper Frankfurt zu erkennen.
Blickrichtung Osten. Trotz vieler Widrigkeiten gibt es noch alte Bausubstanz, inzwischen natürlich direkt neben neuen Gebäuden. Das Mainufer mit seiner Aussicht ist eine begehrte Geschäftsadresse und lädt ein zum Flanieren. Sachsenhausen, am südlichen Mainufer, ist bei Besuchern und Touristen wegen seiner Museen und Gastronomie über die Region hinaus bekannt. Im Hintergrund findet sich der EZB-Turm, davor die Dreikönigskirche im neugotischen Stil und rechts davon das Hotel-Hochhaus Main Plaza im Deutschherrnviertel (alter Schlachthof).
Blick nach Norden. Der voyeuristische Blick auf die Baustellen auf den Dächern im Vordergrund bietet eine ungewohnte Perspektive. Die bekannte Frankfurter Skyline mit den verschiedenen Finanzinstituten ragt aus dem Häusermeer im Mittelgrund auf. Ergänzt werden die Hochhäuser ganz links durch einen weithin sichtbaren Fernmeldeturm, bekannt als Ginnheimer Spargel.
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Das folgende Video zeigt den Abriss des Gebäudes von dem aus die Aufnahmen gemacht wurden: