"Wie ist die Filmempfindlichkeit definiert und was bedeutet das in der Praxis"- Die "richtige" Filmentwicklungszeit - Viele glauben, dass ein hervorragender Print hauptsächlich auf eine exzellente Printtechnik zurück zu führen ist. Aber noch wichtiger für die endgültige, hohe Qualität eines Abzugs sind Belichtungs- und Entwicklungszeit des Films. Erschienen in SCHWARZWEISS Nr. 87 April / Mai 2012 |
Dr. Otto Beyer
22.11.2011
Inhalt
2 Die Filmempfindlichkeit nach DIN ISO - Norm
3 Vergleich mit der Filmentwicklung nach dem Zonensystem
1 Einleitung
Viele glauben, dass ein hervorragender Print hauptsächlich auf eine exzellente Printtechnik zurück zu führen ist. Aber noch wichtiger für die endgültige, hohe Qualität eines Abzugs sind Belichtungs- und Entwicklungszeit des Films. Selbst die Aufnahme eines Motivs mit verschiedenen Belichtungszeiten allein garantiert kein exzellentes Negativ und erhöht meist nur den Aufwand.
Daher gibt es zwei große Herausforderungen für den engagierten Schwarz-Weiß Fotografen:
- die korrekte Belichtungszeit des Films und
- die richtige Filmentwicklungszeit
Diese beiden Parameter sind entscheidend für den "richtigen" Kontrastumfang im Negativ. Ein gut zu vergrößerndes Negativ zeigt in den Schatten und Lichtern deutliche Zeichnung und das selbst dann, wenn das Motiv geringen oder hohen Kontrast aufweist.
Gerade im Bereich der Landschaftsfotografie mit den wetterabhängig wechselnden Kontrastumfängen eines Motivs benötigt der engagierte Fotograf einfache und klare Regeln, um seine Filme richtig zu belichten und zu entwickeln [1]. Die kontrastangepasste Belichtung und Entwicklung nach dem Zonensystem führt da zum Erfolg (siehe >>HIER<<).
Auch wenn man seine Betrachtungen nur auf den "normalen" Kontrastumfang eines Motivs beschränkt, gibt es unter den SW-Fotografen regelmäßig Diskussionen über die "richtige" Filmentwicklungszeit. Besonders gut kann man das in den verschiedenen Foren verfolgen. Selbst für ein und dieselbe Film-/Entwicklerkombination werden oft von Herstellern und verschiedenen Fotografen merklich unterschiedliche Entwicklungszeiten angegeben. Auch wenn sorgfältig gearbeitet wird und man berücksichtigt, dass z.B. unterschiedlich kräftig gekippt wird und Thermometer eine gewisse Toleranz haben, bleiben immer noch scheinbar nicht erklärliche Widersprüche zurück. Das gilt im besonderen Maße für die festgestellte Filmempfindlichkeit. Gerade Neueinsteiger werden dadurch verwirrt und suchen eine Antwort durch mehrfachen Wechsel von Film- / Entwicklerkombinationen. Nur der Zufall kann dann zu halbwegs befriedigenden Ergebnissen führen. Warum erst ein systematisches Eintesten nach klaren Regeln zum sicheren Erfolg führt, soll im Folgenden erläutert werden.
2 Die Filmempfindlichkeit nach DIN ISO - Norm
Die aktuelle Norm hat die Bezeichnung DIN ISO 6:1996-02 und den Titel "Systeme von Schwarzweiß-Negativfilmen und ihre Verarbeitung für Stehbildaufnahmen – Bestimmung der ISO-Empfindlichkeit".
Die Norm geht von der Erkenntnis aus, dass die Empfindlichkeit eines Films von der angewandten Verarbeitung abhängt. D.h. Schwarzweiß-Filme haben generell nicht eine einzige Empfindlichkeit, wenn verschiedene Verarbeitungen empfohlen werden.
Konzentrieren wir uns hier in einem ersten Schritt auf die Verarbeitung des belichteten Films. Die ISO-Norm legt als einzige Verarbeitungsbedingung fest, dass die mittlere Steilheit des entwickelten Films vorgegebenen Bedingungen entspricht. Zusätzliche Informationen über die Verarbeitung müssen von demjenigen angegeben werden, der Entwicklungszeiten veröffentlicht.
Abbildung 1 zeigt die Details des Verfahrens. Auf der horizontalen Achse wird der Logarithmus der Belichtung H aufgetragen, auf der vertikalen Achse die zugehörigen Dichtewert als lgD-Werte. Diese Art der Darstellung bezeichnet man auch als charakteristische Kurve einer Film- / Entwicklerkombination. Die Bedingung Dichte lgD=0,10 über Schleier + Unterlage definiert auf der horizontalen Achse den Punkt m (Speed Point). Die Filmentwicklung muss so ausgeführt werden, dass von Punkt m ausgehend 1,3 Schritte nach rechts sich eine um 0,8 höhere Dichte ergibt. Das entspricht einem Gamma-Wert von:
Bei der Entwicklung der Norm wurde in der Vergangenheit auch erwogen, die Normierung der Filmempfindlichkeit bei einer höheren Dichte z.B. Dmin = 0,20 vorzunehmen. Nach gründlicher Untersuchung wurde der Vorschlag aber aufgegeben, da er keine grundsätzlichen Vorteile bot (siehe [2] Seite 139). In der Terminologie des Zonensystems definiert Dmin die Lage von Zone 1.
Abbildung 1: Empfindlichkeitsbestimmung nach DIN ISO 6
3 Vergleich mit der Filmentwicklung nach dem Zonensystem
Da in der praktischen Fotografie die Begriffe des Zonensystems üblich sind, werden jetzt diese Angaben aus Abbildung 1 in die Terminologie des Zonensystems übertragen. Das Ergebnis ist in Abbildung 2 zu sehen. Hier ist schon die Dichte lgD über Schleier + Unterlage auf der senkrechten Achse aufgetragen.
Eine Dichte von 0,10 über Schleier + Unterlage definiert die Lage der Zone 1. Eine Blende mehr oder weniger Licht bei der Belichtung erhöht oder vermindert die Zonenzahl um 1. Eine Blende mehr Licht heißt doppelt so viel Licht, eine Blende weniger Licht bedeutet halb so viel Licht wie bei der vorausgegangen Belichtung. Der Logarithmus von 2 ist 0,301. Den Abstand von lgH = 1,3 zum Punkt n kann man in Zonen umrechnen.
Achtung: In der Literatur sind beide Schreibweisen "lg" und "log" für den Zehnerlogarithmus gebräuchlich (in Excel LOG10).
D.h. der Film muss so entwickelt werden, dass bei Zone 5,32 (= 1+ 4,32) eine Dichte von 0,9 (= 0,10 + 0,80) vorliegt. Die waagerechte Linie in Abbildung 2 bei einer Dichte von 1,30 zeigt die typische Dichte von Zone 8 für eine Normal-Entwicklung nach dem Zonensystem. Normal- oder N-Entwicklung heißt, dass bei normalen Kontrastverhältnissen eine solche Filmentwicklung zu ausgeglichenen Negativen führt, eine korrekte Belichtung vorausgesetzt.
Wenn wir jetzt Abbildung 2 auswerten, sehen wir schnell dass eine Filmentwicklung nach DIN ISO 6 zu einer N+1 Entwicklung nach dem Zonensystem führt. Die Dichtekurve schneidet nämlich die gelbe Linie etwa bei Zone 7. D.h. es liegt eine kontraststeigernde Filmentwicklung vor und man erhält damit bei normalem Motivkontrast zu harte Negative. Bei einer N- Entwicklung nach dem Zonensystem erzielt man erst für Zone 8 eine Dichte von 1,30.
Damit ergibt sich für eine Normal- oder N-Entwicklung gemäß Zonensystem der folgende Gamma-Wert:
Abbildung 2: Empfindlichkeitsbestimmung nach DIN ISO 6 mit den Begriffen des Zonensystems
4 Konsequenzen
Nach den vorangegangenen Erläuterungen wird nun sofort klar, warum gerade Anfänger, die sich einfach an die üblichen Herstellerempfehlungen halten, häufig mit zu harten Negativen zu kämpfen haben. Auch ein pauschales Verlängern der Entwicklungszeit gegenüber den Herstellerangaben ist des Guten zu viel und ruiniert zumeist die Negative. Ziel sind zarte Negative, die in Licht- und Schattenpartien Zeichnung haben. Negative, die an Dias erinnern, sind zu hart, um gute Prints zu erzeugen.
Die Norm verlangt eindeutig, dass neben der Filmempfindlichkeit Informationen zur Verarbeitung angegeben werden müssen. Es müssen angegeben werden (siehe Abschnitt 5.4.2 der Norm):
- Filmempfindlichkeit
- Chemikalien
- Zeit
- Temperatur
- Ausrüstung für die Entwicklerbewegung
- Verfahren für jeden Arbeitsschritt
- Eventuell weitere notwendige Angaben zur Erzielung der angegebenen Empfindlichkeit
D.h. diese genannten Parameter beeinflussen die Filmempfindlichkeit. Ein jeder möge selber die veröffentlichten Filmempfindlichkeiten auf Vollständigkeit der gemachten Angaben prüfen. Man denke nur an den Aufdruck auf den Filmschachteln oder die DX-Kodierung. Dadurch, dass einige Hersteller, abweichend von der Norm, praxisnähere Angaben zur erzielbaren Empfindlichkeit machen, bleibt für einen Anfänger das Thema Filmentwicklung weiterhin verwirrend. In vielen Fällen bleibt offen, ob die Empfindlichkeitsangaben nach DIN ISO 6, nach dem Zonensystem oder anderen, nicht dokumentierten Regeln gemacht wurden.
Liegen Empfindlichkeitsangaben nach DIN ISO 6 vor, gibt es pauschale Empfehlungen in der Literatur zur Erzielung besser kopierbarer Negative (siehe z.B. [3] Seite 86 oder [4] Seite 215 - Quick and Easy). Diese Empfehlungen laufen für normale Kontrastverhältnisse darauf hinaus, die Empfindlichkeit um 2 oder 3 DIN zu reduzieren und etwas kürzer zu entwickeln. Man erreicht dadurch meist eine besser Zeichnung in den Schatten und Lichtern. Die eindeutig bessere Alternative ist der Einstieg in das Eintesten der bevorzugten Filme mit einem dazu passenden Entwickler [siehe >>HIER<<]. Die Herstellerangeben können dann ohne weiteres als Startwerte verwendet werden. Bitte beachten Sie auch, dass durch Alterung ein Film merklich an Empfindlichkeit verliert. Ein realistischer Praxiswert ist ein Empfindlichkeitsverlust von bis zu 1 DIN pro Jahr. Damit kann dieser Verlust, je nach Lagerung, ohne weiteres eine ganze Blende betragen.
Einzelheiten zu den Bildern siehe >>HIER<<
5 Referenzen
[1] John Collett, David Collett: Black & White Landscape Photography, Amherst Media, Inc. 1999, ISBN 1-58428-004-2,
[2] Richard D. Henry: Controls in Black and White Photography, 1988 Butterworth-Heinemann, 2. Auflage, ISBN 0-240-51788-1
[3] Barry Thornton: Edge of Darkness, ISBN 0-8174-3815-7, 2001 Amphoto Books
[4] Ralph W. Lambrecht, Chris Woodhouse: Way Beyond Monochrome, 2. Auflage, 2011, ISBN 978-0-240-81625-8
>>HIER<< der Artikel zum Download
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Anmerkung: In der Formel oberhalb Abb. 2 hatte sich ein kleiner Fehler eingeschlichen, der jetzt korrigiert ist. Vielen Dank an Markus Bode für den Hinweis.