Entwicklungshilfe

oder: Grundlagen der Negativverarbeitung für Anfänger und Fortgeschrittene


Thomas Wollstein
Oktober 2001


Auch zu so etwas Grundlegendem wie Filmentwicklung gibt es immer wieder eine Reihe von Fragen, selbst bei alten Hasen. Daher der scheinbare Widerspruch im Titel zwischen den "Grundlagen" und den "Fortgeschrittenen".

Zunächst eine Warnung:
Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird!
Bei der Entwicklung kommt es zuallererst darauf an, dass Sie ein eingefahrenes Prozedere verwenden, das Sie, sobald Sie Ihre Filme eingetestet haben, nie, nie, nie mehr ändern, wenn es nicht einen wirklich guten Grund dafür gibt. Wenn Sie also mit der Schärfe und dem Kontrast Ihrer Filme glücklich sind und bei der Lektüre des nachfolgenden Textes keine Dinge entdecken, bei denen Sie ausprobieren möchten, ob Sie sie nicht besser machen könnten, gilt folgender Hinweis:
Never touch a running system!
(Frei übersetzt: Fummel nicht an etwas herum, das prima funktioniert!)

Also, nun zum Thema. Ich behandle die einzelnen Schritte in der natürlichen Abfolge.

Wie kommt der Film in die Dose?
Früher habe ich meine Filme mit dem ganzen Oberkörper unter mehrfachen Bettdecken usw. in die Dose gespult. Menschliche Augen sind nach einiger Eingewöhnungszeit im Dunkeln so empfindlich, dass man sich darauf verlassen kann, dass es wirklich dunkel ist, wenn man sich unter der Decke umgesehen hat und wirklich nichts mehr sieht. Allerdings wird die Luft unter der Decke schnell schlecht und sich zu bewegen traut man sich auch nicht, weil ja die Decke verrutschen könnte. Das Verfahren ist daher zwar konkurrenzlos preiswert, hat aber Handhabungsnachteile.

Auf der anderen Seite ist es oft schwierig, einen ganzen Raum so abzudunkeln, dass man guten Gewissens auch mit einem Ilford Delta 3200, Fuji Neopan 1600 oder Kodak T-Max 3200 darin offen herumhantieren kann.

Empfehlenswert ist ein Wechselsack. Wenn Sie noch keinen haben, kaufen Sie sich einen großen. Spätestens wenn Sie einmal einen Tank für vier Filme im Wechselsack haben, wissen Sie warum.

Denken Sie daran, Ihre Armbanduhr mit den Leuchtziffern abzunehmen! (Bei dem Verfahren unter der Bettdecke hätte ich diesen Hinweis nicht geben müssen, da Sie die Uhr gesehen hätten.) Die Ärmel des Wechselsacks sollten schön stramm sitzen. Besonders bei schon oft benutzten Exemplaren lohnt es sich, die Gummis zu überprüfen und ggfs. auszutauschen.

Zum Öffnen der metallenen Filmpatronen gibt es spezielle Werkzeuge zu kaufen, die - weil es sich ja um Fotozubehör handelt - zu Fotozubehörpreisen gehandelt werden. Versuchen Sie es aber ruhig auch einmal mit einem ganz gewöhnlichen Kapselheber (oder auch Flaschenöffner). In meiner Duka versieht seit langem ein Werbegeschenk von Granini zu meiner vollen Zufriedenheit seinen Dienst an Filmpatronen. Manche der Patronen sind übrigens auch ganz leicht ohne jedes Werkzeug zu öffnen.

Das Laden von Spiralen will gelernt sein, und Sie sollten es üben, bis Sie es nicht nur mit verbundenen Augen können (Sie müssen es nämlich sowieso im Dunkeln tun.), sondern wirklich absolut sicher.

Vermeiden Sie es unbedingt, dem Film Gewalt anzutun, denn Knicke im Film führen zur so genannten Knickbelichtung, die eigentlich keine Belichtung ist (sie braucht nämlich kein Licht), sondern nur eine Schwärzung des Films durch Druck. Sichtbar wird Sie im Negativ durch kleine, halbmondförmige dichte Stellen.

Zwei Gründe können die Notwendigkeit, den Film stärker anzuschieben als ihm zuträglich ist, hervorrufen:

  • euchtigkeit auf den Spiralen und/oder
  • ungünstig angeschnittener Filmrand.

Feuchte Spiralen (besonders solche aus Kunststoff) oder feuchte Hände führen dazu, dass der Film klebrig wird und nicht mehr gut durch die Windungen rutscht. Wenn's Ihnen passiert, haben Sie Pech. Sie müssen durch. Versuchen Sie's mit so wenig Gewalt wie möglich. Lernen Sie draus, und sorgen Sie dafür, dass es nie wieder vorkommt, z. B., indem Sie die Spiralen trockenföhnen, wenn Sie viele Filme kurz hintereinander entwickeln möchten. In diesem Fall sollten Sie sie allerdings vor der Verwendung wieder auf Raumtemperatur abkühlen lassen, denn warme Spiralen sind nach meiner Erfahrung nicht viel besser als feuchte.

Den Filmrand sollten Sie so anschneiden, dass er keine zu große Neigung zum Verhakeln hat, also auf keinen Fall so, dass Sie ein Perforationsloch anschneiden, und möglichst auch nicht in Form einer rechtwinkligen Ecke. Als sehr günstig hat sich bei mir ein Nagelknipser erwiesen, mit dem ich die Ecke abrunde. Ich verfahre (fast) immer so, dass ich den Filmanfang mittels eines Laschenziehers wieder aus der Patrone ziehe, ihn zunächst gerade kappe und dann die Ecken mit dem Nagelknipser abrunde.

ANMERKUNG: Ausnahmen hiervon bilden lediglich IR- und andere Filme, deren Filmanfänge man nicht hellem Licht aussetzen darf. Bei solchen schneide ich die Filmzungen im Wechselsack nach Gefühl ab. Dabei achte ich aber darauf, keine Perforationslöcher (und auch nicht meinen Wechselsack!) anzuschneiden. Wird doch ein Perforationsloch getroffen, schneide ich noch ein Stück Film ab...

11-perforation 

Vorwässerung?
Eine Vorwässerung von Filmen vor dem Entwickeln halte ich außer bei den Filmen, bei eine solche aus verarbeitungstechnischen Gründen explizit eine solche empfohlen wird, für unnötig bis schädlich.

Empfohlen wird ein Vorwässerungsschritt z. B. bei MACOs IR-Filmen (MACO IR 820 c und der voraussichtlich im Januar 2002 erscheinende MACO IR 750 c). Hier dient er dazu, die Lichthofschutzschicht zu entfernen, ohne den Entwickler zu kontaminieren. Ich habe allerdings auch schon einmal vergessen, diesen Schritt durchzuführen. Es scheint dem Film nicht geschadet zu haben, und der Entwickler war ein Einmalentwickler.

Ausdrücklich abgeraten wird von der Vorwässerung bei Zweibadentwicklern, denn die Aufnahme des Entwicklers durch die Quellung der Schicht scheint hier bei den angegebenen Zeiten auf einen nicht vorgewässerten Film abgestimmt zu sein.

Entwickler

Einmal- oder Mehrfachentwickler?

Eine Frage, an der sich immer wieder die Geister scheiden! Einmalentwickler hat den entscheidenden Vorteil, dass die Entwicklung damit am reproduzierbarsten wird. Sie füllen nicht einen Entwickler in den Tank, der beim ersten Mal ganz frisch ist, morgen aber schon zwei Filme auf dem Buckel hat und nächste Woche vielleicht schon 10, sondern immer gerade angesetzten, frischen Entwickler.

Zwar wird bei Mehrfachentwicklern die Anzahl der bereits entwickelten Filme in Form eines Korrekturfaktors oder -zuschlags berücksichtigt, z. B. in der Art, dass empfohlen wird, die ersten vier Filme mit x Minuten zu entwickeln, die nächsten vier mit x+1 und die letzten vier mit x+2, aber weiß der Entwickler wirklich, dass er zwischen dem achten und dem neunten Film schlagartig um eine Minute langsamer werden muss, zwischen dem neunten und dem zehnten jedoch nicht?

Eine Ausnahme sind Zweibadentwickler wie Tetenal Emofin. Bei diesen ist aufgrund des speziellen Mechanismus tatsächlich eine sehr gleichbleibende Wirksamkeit und Qualität vom ersten bis zum letzten Film zu erwarten. Die Kehrseite ist, dass diese Entwickler eine Kontraststeuerung nur in eingeschränktem Maße gestatten.

Wie viel Entwickler?

Frage: Was haben

  • 1 Rolle KB-Film mit 36 Aufnahmen,
  • 1 Rollfilm 120,
  • 4 Blätter Planfilm 4 x 5 Zoll,
  • 5 Blätter Planfilm 5 x 7 Zoll und
  • 1 Blatt Planfilm 8 x 10 Zoll

gemeinsam?

Richtig: Sie alle haben ungefähr dieselbe Fläche und können daher in einer bestimmten Menge Chemie verarbeitet werden. Diese Fläche beträgt ungefähr 500 cm²

Zum einen stehen z. B. auf den JOBO-Tanks Empfehlungen, welche Menge Entwickler für wie viele Filme welchen Formats einzufüllen ist. Das ist nur die halbe Wahrheit, denn wenn man die Empfehlungen auf den Tanks einhält, kann man allenfalls sicher sein, dass der Film gleichmäßig benetzt wird. Dass die Menge Entwickler ausreicht, den Film auch wirklich auszuentwickeln, ist damit nicht sichergestellt. Um dessen sicher zu sein, muss man im Datenblatt zum benutzten Entwickler prüfen, ob auch von dieser Seite her eine Mindestmenge einzuhalten ist.

Die tatsächliche Mindestmenge, die dann beiden Kriterien genügt, ist die größere der beiden Mindestmengen!

Kodak schreibt z. B., dass für einen KB-Film (oder äquivalent) 100 ml unverdünnter D-76-Entwickler ausreichen. Auf meinem Tank steht, dass man für einen KB-Film bei Kippentwicklung 250 ml braucht. Nehmen muss man dann 250 ml, sonst wird nur die in der Spirale unten liegende Hälfte des Films entwickelt.

ANMERKUNG: Steve Anchell und Bill Troop schreiben übrigens in [1], dass nach ihrer Meinung der Film nur dann sicher zu seinem vollen Potenzial ausentwickelt wird, wenn man abweichend von Kodaks Empfehlung wenigstens 250 ml unverdünnten D-76 verwendet.

Allgemein empfehlen sie, folgende Mindestmengen einzuhalten:

Unverdünnte Entwickler, z. B. D-76, Microdol-X, XTOL

250 ml

Verdünnte Entwickler, z. B. D-76 1+1, Rodinal 1+25 bis 1:50, HC-110 1+31, Ilfotec HC 1+31

500 ml

Stark verdünnte Entwickler, z. B. D-76 1+3, Rodinal 1+100, HC 110 1+90

1l

Entwickleransatz
Noch drei kurze Anmerkungen zum Entwickleransatz:

  1. Wasser enthält immer auch Sauerstoff in gelöster Form, der das Entwickleragens oxidiert und den Entwickler auf die Dauer unbrauchbar macht. Das ist der Grund dafür, dass Entwickler langsam an Wirksamkeit zu verlieren beginnt, sobald er angesetzt ist. Entwickler sollte daher so spät wie möglich angesetzt werden, aber so früh wie nötig (siehe auch Punkt 2). In vielen alten Büchern (leider nur noch ganz wenigen neueren) wird empfohlen, Entwickler mit abgekochtem (und dann wieder abgekühltem!) Wasser anzusetzen, denn das Kochen entfernt die meiste gelöste Luft (und auch etwas von der Wasserhärte).
     
  2. So früh wie nötig ist bei Pulverentwicklern etwas früher als bei solchen aus Flüssigkonzentrat, denn ungelöst bleibende Kristalle führen zu Flecken (dichten Punkten) im Negativ. Auch hier wurde früher zu Recht empfohlen, Pulverentwickler mindestens 24 Stunden vor Gebrauch anzusetzen.
     
  3. Für dickflüssige Konzentrate (z. B. Ilfotec HC) wird vom Hersteller oft empfohlen, zunächst eine dünnflüssige und daher besser zu dosierende Stammlösung herzustellen. Nach dem unter Punkt 1 Gesagten beginnt damit aber die Verfallsuhr des Entwicklers schneller zu ticken. Meine Erfahrung ist, dass man auch recht dickflüssiges Zeug mittels einer Einwegspritze aus der Apotheke sehr gut genau dosieren kann.

Alles ist immer in Bewegung
Aber auf die richtige Bewegung kommt es an! Lt. [1] ist Bewegung noch der am wenigsten verstandene Schritt in der Entwicklung. Sie hat Einfluss auf

  • Kontrast,
  • Schärfe,
  • Empfindlichkeit und
  • Entwicklungszeit.

Wenn man z. B. den Bewegungsrhythmus von intermittierender auf dauernde Bewegung umstellt, muss man die Entwicklungszeit um 15 bis 20% verkürzen, um zu vergleichbaren Ergebnissen zu gelangen. Auf der anderen Seite ist nach wie vor die Mehrheit der Fotografen der Meinung, dass kontinuierliche Bewegung die Kantenschärfe verringert, die Entwicklung in den Lichtern auf Kosten der Schatten beschleunigt und in ungünstigen Fällen zu ungleichmäßiger Entwicklung führen kann. Vielfach wird daher für SW-Filme Entwicklung mit dauernder Bewegung nicht empfohlen. (Ausnahmen sind in Grenzen Prozessoren, s.u.)

Schauen wir auf einige Details:

Bewegung und Kantenschärfe
Lange Zeit galt es als erwiesen, dass weniger Bewegung zu mehr Kantenschärfe führt. Die Argumentation war, dass sich dort, wo ein stark geschwärzter, dichter Bereich an einen wenig geschwärzten, dünnen Bereich stößt, der Entwickler im dichten Bereich schneller verbraucht wird und dass von dort die Entwicklung bremsende Reaktionsprodukte (z. B. Bromid) freigesetzt werden. An der Grenze zwischen den beiden Bereichen sollte dann durch Diffusion aus dem dünnen Bereich noch reichlich vorhandener frischer Entwickler in den dichten Bereich wandern, aus dem dichten Bereich reichlich vorhandenes Bromid in den dünnen Bereich. Als Konsequenz sollte die Grenzlinie auf der dichten Seite noch dichter, auf der dünnen Seite noch dünner werden, was den Kontrast am Übergang lokal verstärken würde. Ständige Bewegung würde den Entwickler immer wieder durchmischen und diesen Effekt unterbinden. Allerdings behaupten in letzter Zeit Laboranten, auch bei ständiger Bewegung ausgeprägte Kanteneffekte beobachtet zu haben. Sie sind der Meinung, der Effekt hänge nur von der Film/Entwickler-Kombination ab und gehe auf Diffusion in der Emulsion, nicht in der Lösung, zurück. Die Frage darf also als offen gelten.

ANMERKUNG: Wenn Kantenschärfe immer das Tollste wäre, gäbe es wohl nur solche Entwickler, die diesen Effekt fördern würden. Für viele Zwecke ist Kantenschärfe vorteilhaft, und es scheint auch so zu sein, dass sie die Sehweise unseres Auges nachempfindet, das auch den Kontrast durch Inhibition benachbarter Nervenzellen verstärkt. Dennoch, durch Kantenschärfe leidet die stufenlose Grauwertwiedergabe.

Bewegung und Kontrast
Mit derselben Argumentation wie oben hat man früher pauschal behauptet, ständige Bewegung würde die Entwicklung in den Lichtern fördern. Das stimmt sicher bei verdünntem Entwickler, der sich bei Stillstand in den dichten Bereichen schnell verbraucht und in den dünnen langsamer. Wenn man ihn jetzt durch Mischung, sprich: Bewegung, austauscht, werden die Schatten nicht wesentlich beeinflusst, denn dort war der Entwickler noch ziemlich unverbraucht, aber die Lichter erhalten wieder frischen und legen zu. Bei konzentrierten Entwicklern allerdings stimmt das nicht in demselben Maße.

Bewegung und gleichmäßige Entwicklung
Manche Entwickler lassen sich durch das im Zuge der Entwicklung freigesetzte Bromid außerordentlich stark beeindrucken und verlangsamen ihre Arbeit. Man stelle sich nun vor, was bei einem fiktiven Negativ passiert, das in der Mitte einen dichten Bereich enthält und außen herum eine einheitlich mittelgraue Fläche. Der dichte Bereich setzt Bromid frei, das abgeführt werden muss. Wäscht jetzt der Entwickler immer in derselben Richtung und in schön geordneter, laminarer Strömung über die dichte Stelle, wird das Bromid immer entlang desselben Weges abgeführt, und dort wird die Entwicklung behindert. In einer einheitlich grauen Fläche um den dichten Bereich würde das als "Kondensstreifen" hinter der dichten Fläche auffallen. Das darf nicht passieren. Bewegung muss also so gestaltet werden, dass solche gleichförmigen Muster nicht entstehen.

Solche (und andere) Fehler neigen dazu, während der ersten Zeit aufzutreten und danach im Zuge der weiteren Entwicklung verstärkt zu werden. Daher wird empfohlen [1], während der ersten halben bis ganzen Minute ständig zu bewegen, und zwar während der ersten halben Minute, wenn das Einfüllen des Entwicklers bis zu 5 s dauert und während der ganzen ersten Minute, wenn es mehr als 10 s dauert.

Was die restliche Entwicklung betrifft, lautet die Empfehlung: Bei weniger als 5 Minuten Gesamtzeit alle 30 s für 5 s bewegen, bei mehr als 5 min Gesamtzeit alle 60 s für 10 s bewegen.

Dabei gilt bei Kippentwicklung, dass ein vollständiger Kippzyklus, d. h. Tank auf den Kopf drehen und wieder herumdrehen, ungefähr 2 s dauern sollte. Also immer mit der Ruhe! Für 10 s Bewegung kippen Sie vier Mal, dann setzen Sie den Tank mit einem leichten Stoß auf den Tisch, um evtl. am Film haftende Luftblasen abzulösen.

Um die Einstellung von stationären, d. h. konstant bleibenden Bewegungsmustern mit geordneter Strömung zu verhindern, wird empfohlen, den Tank zwischen den einzelnen Kippvorgängen statistisch zufällig um seine Längsachse zu drehen, so dass aus Sicht des Tanks jeder Kippvorgang in eine andere Richtung erfolgt.

Kommen Sie nicht auf den Gedanken, den mir einmal ein Kollege berichtete, nämlich den Tank herumzudrehen und auf dem Kopf abzustellen! Dafür sind die Tanks i.d.R. nicht gedacht. Es fließt dann Entwickler in den "toten" Bereich unter dem Deckel, in dem kein Film steckt, und der dann oberste Film (der, der bei aufrecht stehendem Tank ganz unten liegt) ist möglicherweise nicht mehr vollständig untergetaucht.

Prozessoren
Viele Fotografen genießen es, sich nicht in Minuten- oder geringeren Abständen schüttelnderweise betätigen zu müssen. Sie nutzen Rotationsprozessoren. Nach dem, was ich oben aus [1] zitiert habe, bezahlt man diesen Luxus möglicherweise mit dem einen oder anderen Nachteil, insbesondere hinsichtlich Kantenschärfe (muss nicht sein, s. o.) und möglicherweise übermäßigem Kontrast durch das Aufsteilen der Lichter. Dennoch haben maschinelle Rotationsprozessoren sicherlich den Vorteil, dass sie gleichmäßiger und reproduzierbarer bewegen als ein Mensch das kann. Die ganzen Sorgen über Strömungsmuster muss sich der Prozessorhersteller machen, und nach der Beliebtheit der Prozessoren zu urteilen, scheint das weitgehend gelungen zu sein.

Um der übermäßigen Entwicklung der Lichter entgegenzuwirken, empfiehlt [1], den Entwickler mit 30% mehr Wasser zu verdünnen als für Kippentwicklung. Beachten Sie allerdings, dass das nicht heißt, dass Sie das Entwicklervolumen konstant halten und weniger Entwicklerkonzentrat einsetzen, sondern, dass Sie dieselbe Menge Konzentrat mit 30% mehr Wasser verdünnen.

Bewegung und Empfindlichkeit
Stillstandsentwicklung führt zu einer Erhöhung der Empfindlichkeit und einer Verringerung des Kontrastes, weil sich der Entwickler in den Schatten, also den dünnen Stellen langsamer verbraucht als in den Lichtern. Gleichermaßen nimmt der Gesamtkontrast ab, weil die Lichter durch schnellen Verbrauch des Entwicklers bei schleppender Nachlieferung benachteiligt werden. Kanteneffekte werden maximiert.

Einfüllen und Auskippen
Das Einfüllen und Auskippen des Entwicklers sollte um die 10 s dauern, nicht wesentlich mehr. Rund 15 ml des Entwicklers werden Sie nicht wiedersehen, weil er im und am Film hängen bleibt.

Sollten Sie einen Tank haben, bei dem das Einfüllen und/oder Auskippen wesentlich länger dauert, können Sie sich helfen, indem Sie zwei Tanks benutzen und nicht kippen, sondern den Film nach 10 s Abtropfzeit vom einen Tank in den anderen transferieren. (Dazu brauchen Sie allerdings einen völlig verdunkelten Raum.)

Stoppbad oder nicht?
Stoppbäder sollen die Entwicklung auf der Stelle und definiert abbrechen. Während beim Vergrößern, speziell auf Barytpapier, kein Weg ums Stoppbad herum führt, rate ich bei Negativen davon ab, denn

  • bei Entwicklern, die Soda als Alkali enthalten, kann das Stoppbad in der Schicht CO2 entstehen lassen, das zu Löchern in der Schicht (so genannten Pinholes) führt,
  • starke pH-Wert-Änderungen können zu Kornzusammenballungen und Runzelkorn führen,
  • die Säure kann zu unzuträglich starker Quellung der Gelatine und damit zu einer Beeinträchtigung der Bildqualität führen.

Auch ganz gewöhnliches Wasser bricht die Entwicklung i.d.R. schnell ab, da der Entwickler schnell verdünnt wird und der pH-Wert auch bei Wasser ohne Säurezusatz für die meisten Entwicklersubstanzen viel zu niedrig ist. Wenn der Entwickler noch ein wenig weiterwirkt, dann schlimmstenfalls (oder bestenfalls?) in den Schatten, denn in den Lichtern verbraucht er sich schnell. Das führt dann zu einer geringen Ausgleichswirkung.

ANMERKUNG: Das ist übrigens die Basis der so genannten Wasserbad-Entwicklung, bei der man immer wieder zwischen Wasserbad und Entwickler hin- und herwechselt, um die Schatten auf Kosten der Lichter anzuheben.

Das Argument "definierter" Abbruch ist auch nicht so ganz stichhaltig, da es in erster Linie auf einen reproduzierbaren Abbruch ankommt. Wenn Sie immer auf dieselbe Weise stoppen, egal ob mit Wasser oder mit Stoppbad, wird die Entwicklung immer auf dieselbe Weise angehalten, und Sie haben gleichbleibende Ergebnisse, auf die Sie sich verlassen können.

Als weiteres Argument für Stoppbäder wird ins Feld geführt, dass das Fixierbad nicht mit Entwickleralkali belastet wird. Stimmt! Aber wenn Sie anständig zwischenwässern, passiert das auch nicht. Meine Empfehlung lautet wie folgt:

  1. Nach Ausgießen des Entwicklers den Tank mit Wasser bei Prozesstemperatur füllen (meist 20 °C) und sofort 10 s bewegen (z. B. 4 bis 5 Kippvorgänge).
  2. Wasser wechseln, 10 Kippvorgänge.
  3. Wasser wechseln, 20 Kippvorgänge.

Wer sich jetzt an die Ilford-Wässerung erinnert fühlt, hat Recht. Diese Wässerungsmethode soll lt. Ilford sicherstellen, dass Filme nach dem Fixieren hinreichend ausgewässert sind. Sie sollte auch mehr als gut genug sein, um sicherzustellen, dass kein Entwickleralkali ins Fixierbad gelangt.

Fixage
Über das Fixieren allein habe ich schon ganze Artikel verbrochen. Ich erspare mir, die Vorzüge der Zweibadfixage zu wiederholen und empfehle Ihnen hier nur noch einmal diese Methode auch für Ihre Negative. Die Vorteile sind

  • gründlichere Fixage und
  • bessere Badausnutzung.

Wässerungshilfen und Schlusswässerung
Bei Filmen halte ich Wässerungshilfen wie Ilford Washaid, Tetenal Lavaquick oder Kodak Hypo Clearing Agent für nicht erforderlich. Die von Ilford empfohlene Wässerungssequenz sollte ausreichen. Sie lautet:

  1. Tank und Spirale mit Film abspülen, so dass nirgends mehr Fixierbad anhaftet.
  2. Tank mit Wasser auf Prozesstemperatur füllen, 5 Mal kippen.
  3. Wasser wechseln, 10 Mal kippen.
  4. Wasser wechseln, 20 Mal kippen.
  5. Fertig.

Wenn Sie mehr tun wollen, fügen Sie eine weitere Wässerungsstufe an, während der Sie 40 Mal kippen.

Nachbehandlung
Bei Negativen scheint - anders als bei Positiven, die Licht und Luft ausgesetzt sind - nach derzeitigem Wissensstand eine Nachbehandlung zur Konservierung nicht unbedingt erforderlich zu sein. Wenn Sie Ihre Negative schützen wollen, bietet sich auch hierfür Agfas Sistan an, da dieses anders als Selentoner den Bildkontrast nicht ändert. (Selentoner tont die dichten Stellen, also im Negativ die Lichter, stärker als die Schatten und wirkt so als Verstärker und kontraststeigernd.)

ANMERKUNG: Sistan gibt es übrigens seit einiger Zeit als Sistan New. Geändert haben sich lt. Agfa nur Packungsgröße und Verdünnung. Es gab bisher zwei Fehler, die man bei Sistan machen konnte, nämlich, dass man

• nach dem Grundsatz verfuhr "Viel hilft viel!" und es überdosierte (dann konnte es zu Flecken durch Kristalle führen, die man angeblich wieder auswässern konnte.) oder dass man

• es wieder auswässerte. Sistan muss im Bild bleiben. Es muss, wenn man es denn verwendet, das allerletzte Bad sein.

Den einen Fehler haben die Leute von Agfa uns nun schwerer gemacht. Das neue Sistan ist verdünnter. Den zweiten können Sie nach wie vor machen.

Netzmittel und Trocknung
Dazu habe ich bereits in meinem Beitrag über Flecken einiges gesagt. Lesen Sie bitte dort nach.

Saubere Finger und saubere Arbeitsumgebung
Die beste Nachbehandlung verliert an Wirksamkeit, wenn man nicht sauber arbeitet. Wenn Sie Chemie verschütten, wischen Sie sie sofort auf, denn alles, was antrocknet, wird im Laufe der Zeit zu Staub, der durch die Luft überall hin getragen wird und daher auch Ihre Negative irgendwann erreicht und kontaminiert.

Eine tolle Schlusswässerung, bei der der Restthiosulfatgehalt auf Rekordwerte gesenkt wird, ist absolut witzlos, wenn Sie im Zuge der Bearbeitung oder der nachfolgenden Reinigung Ihrer Ausrüstung Ihre Hände in Fixierbad gebadet haben und nun mit den kontaminierten Fingern Ihre Negative anfassen. Auch wenn es sicher unbequem ist, habe ich mir deshalb folgenden Ablauf zur Gewohnheit gemacht:

  1. Film einspulen und Tank verschließen.
  2. Gummihandschuhe anziehen.
  3. Chemie vorbereiten.
  4. Film entwickeln, zwischenwässern, fixieren.
  5. Tank, Spirale usw. aus- bzw. abspülen.
  6. Ilford-Wässerungssequenz.
  7. Chemikalien zurück in ihre Flaschen, Flaschen abspülen (!) und wegpacken.
  8. Ausrüstung und Arbeitsumgebung (gilt insbesondere auch für die Wasserhähne, die man noch anfassen muss) reinigen und aufräumen.
  9. Tank und Handschuhe gründlich abspülen.
  10. Handschuhe aus. Hände waschen.
  11. Netzmittel ansetzen.
  12. Tank öffnen, Film entnehmen, nachbehandeln und trocknen.

Ein so akribisches Vorgehen mag Ihnen zunächst albern erscheinen, aber ich mache mir nicht eine Menge Mühe, meine Filme möglichst gut und haltbar zu verarbeiten, um dann im Austausch gegen ein bisschen Bequemlichkeit meine Arbeit in Frage zu stellen. Ein positiver Nebeneffekt der Handschuhe ist übrigens auch, dass ich praktisch nicht mit den Chemikalien in Kontakt komme.

Literaturhinweise
[1] Stephen G. Anchell, Bill Troop: The Film Developing Cookbook, Focal Press, Boston 1998, ISBN 0-240-80277-2