Bei jeder Filmentwicklung wird alles Silberhalogenid, das genügend Licht abbekam, in metallisches Silber umgewandelt. Unbelichtetes Silbersalz wird dagegen beim Fixieren ausgewaschen und landet im Sondermüll oder bei der Silberrückgewinnung. Im Negativ sind die Lichter daher schwarz und die Schatten weiß, erst beim Kopieren auf Papier oder Film erhält man ein tonwertrichtiges Bild.
Mit dem Umkehrverfahren umschifft man das Negativ elegant und landet gleich beim Positiv. Die zugrunde liegende Idee ist einfach: Neben dem negativen Silberbild liegt in jedem entwickelten Film auch ein positives Bild vor, in Form von unverbrauchtem Silberhalogenid. Man muss also nur das entwickelte Silber aus der Schicht entfernen und dann das restliche Halogenid entwickelbar machen - durch Licht oder durch die chemische Keule. Doch was einfach klingt, muss nicht zwangsläufig einfach sein. Bezogen auf SW-Dias fängt das Problem nämlich schon beim Filmkauf an: Welcher ist umkehrtauglich und welcher nicht?
Ein hoher Silbergehalt, in einer dünnen Schicht auf einen klaren Träger gegossen, bietet die besten Voraussetzungen; schließlich verlangen brillante Dias nach einem niedrigen Grundschleier und hohen Maximaldichten. Der Beipackzettel von Tetenals SW-Dia-Kit listet aussichtsreiche Kandidaten auf: Agfa APX 25 und APX 100 Ilford Pan F Plus und die Tmax-Brothers von Kodak. Für beinharte Strichdias sorgt Kodaks Technical Pan 2415. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, auch andere Filme können zu brauchbaren Resultaten führen. Trotzdem lässt sich nicht jeder Film, der eigentlich sauber durchgezeichnete Negative liefern soll, für die Lichtbildshow missbrauchen.
In fünf Schritten zum Dia
Doch gleich, für welchen Film Sie sich entscheiden, die Umkehrentwicklung umfasst fünf Schritte:
- Erstentwickeln
- Bleichen
- Klären
- Zweitbelichten
- Zweitentwickeln
Die gewohnte Schlusssequenz Stoppen-Fixieren-Wässern beendet das Prozedere. Bei der Erstentwicklung wird aus dem latenten Bild in der üblichen Weise ein Negativ. Da wir auf maximale Schwärzen und möglichst klare Lichter aus sind, wird, wie beim Papier, ausentwickelt - zu Betawerten über 1.5. Das ist nötig, weil Streulicht den Kontrast bei der Projektion ohnehin noch einmal kräftig dämpft.
Der Teufel steckt wie immer im Detail: Selbst ein kräftiger Erstentwickler schafft es nicht, in den stark belichteten Regionen alle belichteten Kristalle zu entwickeln - ein paar kleine, somit unempfindliche Kristalle bleiben als Silberhalogenid zurück. Dieses Silberhalogenid wird dann mit Sicherheit im Zweitentwickler reduziert und schleiert die Lichter zu. Um das zu vermeiden, müsste man den Film um etwa den Faktor 100 überbelichten, was einem Empfindlichkeitsverlust von immerhin 20 DIN entspräche. Abhilfe schafft ein Silberlösemittel im Erstentwickler. Das löst die Kristallzwerge bei der Erstentwicklung auf und lässt im Positiv die Lichter glänzen.
Erstentwickler sind von der Grundrezeptur her kräftig arbeitenden Positiventwicklern ähnlich: Viel Hydrochinon sorgt für die nötige Power, und Phenidon oder auch Metol geben Anschubhilfe, indem sie die Ladungsbarriere der Kristalle unterlaufen. Zusätzlich fegen zwei bis sechs Gramm Kaliumrhodanid (das auch Kaliumthiocyanat heißt) die Lichter blank. Bis zu sechs Gramm Kaliumbromid pro Liter bremsen den Schleier und sorgen dadurch für kräftige Schwärzen im Positiv.
Um dem Halogenid-Hunger des Rhodanids in den oberen Schichten Einhalt zu gebieten, stattet man den Entwickler mit 10 bis 100 Milligramm Kaliumjodid pro Liter aus - ein Trick, der von Farbdiafilm-Entwicklern entliehen ist. Die vom Rhodanid "weggelutschten" Silberionen vagabundieren in der Entwicklerlösung umher und können sich an bereits vorhandene Silberkeime anlagern. Dieser Mischmasch aus chemischer und physikalischer Entwicklung wird den Anforderungen des Umkehrprozesses am ehesten gerecht, denn die Empfindlichkeitsausnutzung steigt mit zunehmender Entwicklungszeit, ohne dass die Beta-Kurve merklich aufgesteilt wird. Chemisch ist der Film schon nach anderthalb Minuten ausentwickelt, in der restlichen Zeit wird die Dichtekurve nur noch parallel zugeschoben.
Der kritische Punkt
Die Erstentwicklung ist der kritische Punkt im gesamten Prozess. Trotzdem ist eine gewisse Steuerung der Positivdichte über die Entwicklungszeit möglich: Ist das Dia zu hell, dann war die Erstentwicklung zu lang - zu viele entwickelbare Kristalle wurden schon im Erstentwickler verheizt. Umgekehrt war bei dunklen Dias das Negativ nicht ausentwickelt. Die Entwicklungszeiten für die einzelnen Filme differieren beträchtlich: Manche Filme wollen volle 18 Minuten gebadet und dabei alle 3 Sekunden gekippt werden. Im Klartext heißt das: 360mal kippen, allein während der Erstentwicklung. Da sage noch einer, Labor habe nichts mit Sport zu tun. Um Armkrämpfen vorzubeugen, kann man dem Entwickler einheizen: Höhere Temperaturen sorgen für moderatere Entwicklungszeiten.
Eine Zwischenwässerung stoppt den Erstentwickler und entfernt das silberfressende Rhodanid. Das darauf folgende Bleichbad verwandelt das entwickelte, metallische Silber in eine wasserlösliche Verbindung und schält es aus der Schicht heraus. Eine heikle Aufgabe, denn nicht reduziertes Silberhalogenid darf dabei nicht angetastet werden: Farmerscher Abschwächer und andere Bleicher auf der Basis von Kalumhexacyanoferrat haben deshalb Hausverbot.
Die gängigsten Umkehrbleicher bestehen aus Kaliumdichromat, das metallisches Silber oxidiert, und Schwefelsäure, die den neu entstandenen Silberionen einen Sulfatrest spendiert. Dieses Silbersulfat ist wasserlöslich und wird schnell ausgewaschen, nur unentwickeltes Silberhalogenid bleibt zurück. Dichromat-Bleicher sind von der schnellen Truppe, in einer Minute ist alles vorbei. Einige Rezepturen sehen Kaliumpermanganat anstelle von Kaliumdichromat vor, jedoch ist die Permanganat-Lösung nur kurz haltbar und muss deshalb immer frisch angesetzt werden. Geben Sie beim Ansetzen der Arbeitslösung immer die Säure zum Wasser, nie umgekehrt, denn sonst können Säurespritzer Ihnen schnell den Spaß verderben (Alter Merksatz der Chemiker: "Gibt man Wasser zu der Säure, so passiert das Ungeheure").
Kleine Mengen Dichromat reagieren auch mit der Gelatine und führen dort zur Bildung von Chromoxid, das die Emulsion grünlich anfärbt. Diese Färbung verschwindet auch nach langem Wässern nicht, deshalb muss ein Klärbad hier für klare Verhältnisse sorgen. Natriumsulfit oder Kaliumdisulfit lösen die Chromoxide wieder aus der Schicht heraus und reduzieren zusätzlich restliches Dichromat, das andernfalls den Zweitentwickler ruinieren würde. Außerdem poliert Sulfit die vom Bleichbad angegriffenen Kristalloberflächen wieder auf Hochglanz. Für Zweitbelichtung und -entwicklung sind die Bedingungen somit optimal. Belichten sollte man reichlich und gleichmäßig - nach Möglichkeit unter Wasser, denn Tropfen auf dem Film führen zu unregelmäßiger Beleuchtung. Die Randbereiche bekommen weniger Licht ab und bleiben heller.
Zwischenbelichtung muss nicht sein
Doch das ist gar nicht so einfach, wenn man den Film in der Dose entwickelt. Entweder man packt ihn zum Sonnenbad in ein Becherglas, oder man lässt die Zweitbelichtung ganz unter den Tisch fallen. Stattdessen muss man dann ein chemisches Umkehrbad zwischenschalten oder den Zweitentwickler mit entsprechenden Substanzen aufrüsten. Borane sind häufig Mittel der Wahl, doch sie sind teuer, giftig und reduzieren auch wenig lichtempfindliche Kristalle. So können sie einen Grauschleier über die Lichter legen. Wenn man mit Zwischenbelichtung arbeitet, kann als Zweitentwickler jeder kräftig arbeitende Papierentwickler Dienst tun. Verwenden Sie nie den Erstentwickler, denn das Rhodanid verschlechtert die Lichterzeichnung deutlich, die Lichter fressen aus.
Umkopieren als Alternative
Welcher Weg zum SW-Dia ist nun der beste? Das Negativ umkopieren oder gleich den Film umkehrentwickeln? Fürs Umkopieren spricht die Tatsache, dass man das Negativ erst schon mal in der Tasche hat, bei der Belichtung und Entwicklung des Positivs - das ja hier ein Negativ vom Negativ ist - also kräftig experimentieren kann. Außerdem kann man durch Verändern der Belichtung und Entwicklung besser an der Dichtekurve herumbiegen, als dies beim Umkehrprozess möglich ist. Und zweimal Negative entwickeln macht auch nicht mehr Arbeit als einmal umkehrentwickeln.
Dafür wird der Mut zur Umkehr durch bessere Bildschärfe - kontrastmindernde Kopierschritte entfallen - und besonders feines Korn belohnt. Die gröberen, somit lichtempfindlicheren Kristalle werden bei der Erstentwicklung aus dem Verkehr gezogen und überlassen das positive Bild ganz den Feinkörnern. Ist doch nett, oder?
Rezeptur für Umkehrentwickler
Erstentwickler
Wasser 800 ml
Na4EDTA 2 g
Natriumsulfit sicc. 50 g
Hydrochinon 20 g
Phenidon 0.2 g
Kaliumbromid 6.0 g
Kaliumrhodanid 6.0 g
Kaliumjodid 50 mg
Kaliumhydroxid 20 g
Wasser auf 1 l
pH 12.1-12.3
Bleichbad
Wasser 800 ml
Kaliumdichromat 10 g
Schwefelsäure 20 % (m/m) 120 ml
Wasser auf 1 l
Klärbad
Wasser 900 ml
Na4EDTA 2.0 g
Natriumsulfit 100 g
Wasser auf 1 l
Zweitentwickler
Wasser 800 ml
Na4EDTA 2.0 g
Natriumsulfit sicc. 20 g
Hydrochinon 6.0 g
Phenidon 0.5 g
Diethylenglykol 10 ml
Kaliumkarbonat 30 g
Kaliumhydroxid 5.0 g
Kaliumbromid 1.0 g
Wasser auf 1 l
pH 11.0-11.2
Folgendes Verarbeitungsschema haben wir für den Ilford Pan F Plus ermittelt:
Erstentwickeln 7 min
Wässern 2 min
Bleichen 3 min
Wässern 2 min
Klären 3 min
Wässern+Zweitbelichten* 2 min
Zweitentwickeln 3 min
Wässern 2 min
Fixieren 2 min
Schlusswässern 10 min
* Unter Wasser, mit etwa 100 Watt aus 20 Zentimetern Entfernung.
Kipprhythmus: 3 Sekunden bei der Erstentwicklung, 30 Sekunden für alle anderen Bäder.
Nach Möglichkeit fließend zwischenwässern.
Als typisches Beispiel für eine Industrierezeptur darf Kodaks Panatomic-Umkehrvorschrift gelten. Die ist auf andere Filme übertragbar, nur die Erstentwicklungszeit muss angepasst werden:
Erstentwickeln in D-67 6-9 min
Wässern 2-3 min
Bleichen in R-9 1 min
Klären in CB-1 2 min
Zweitentwickeln in FD-70 8 min
Wässern 1 min
Danach fixieren und auswässern. Eine zweiminütige Wässerung nach dem Bleichen erhöht die Lebensdauer des Klärbades.
Erstentwickler D-67
Wasser (50 °C) 500 ml
Metol 2.0 g
Natriumsulfit sicc. 90 g
Hydrochinon 8.0 g
Natriumkarbonat sicc. 45 g
Kaliumbromid 5.0 g
Natriumrhodanid-Lösung. (51 % m/v) 3 ml*
Wasser auf 1 l
Bleichbad R-9
Wasser 980 ml
Kaliumchromat 9.5 g
Schwefelsäure konz. 20 ml
Klärbad CB-1
Natriumsulfit sicc. 90 g
Wasser auf 1 l
Zweitentwickler FD-70
Wasser (50 °C) 800 ml
Natriummetaborat 10 g
2-Thiobarbitursäure 0.5 g
Natriumdithionit 5.0 g**
Wasser auf 1 l
* Kann durch 2.5 g Kaliumrhodanid ersetzt werden.
** Erst kurz vor Gebrauch zusetzen.
Die aktuelle Ilford-Anleitung (Jun. 2019) >>Hier<<