Begriffe wie Gradation, Belichtungsumfang, Kopierumfang oder Kontrast gehören zur Alltagssprache des Fotografen. Welche Sachverhalte mit diesen Begriffen aber tatsächlich verknüpft sind, ist selbst altgedienten Praktikern oft schleierhaft. Dabei ist das Wissen um Zusammenhänge nicht nur graue Theorie, sondern eine wichtige Voraussetzung für gezieltes Arbeiten.
Die Schwärzungskurve
Ein wesentliches Bindeglied zwischen Theorie und Praxis ist die Dichtekurve. Sie beschreibt die optische Dichte eines fotografischen Materials nach der Verarbeitung in Abhängigkeit von der Belichtung. Die Dichtekurve ist die wichtigste Kennlinie einer fotografischen Schicht; in der Schwarzweiß-Fotografie bezeichnet man sie auch als Schwärzungskurve.
Fast jedes fotografische Material ergibt nach der Entwicklung eine gewisse Dichte, ohne dass es belichtet wurde. Diese Dichte bezeichnet man als Schleierdichte Ds. Als Schwelle bezeichnet man den Bereich, ab dem durch die Belichtung eine Dichte von 0.1 über die Dichte Ds erzeugt wird - der Bereich der ersten wahrnehmbaren Schwärzung Dmax bezeichnet die durch die Entwicklung maximal erreichbare Dichte oder Schwärzung. Dmax ist zum Beispiel abhängig vom Silbergehalt eines fotografischen Materials. Grob gesagt: Je höher der Silbergehalt, umso größer der Dmax .
Zwischen der Schwelle und Dmax liegt ein mehr oder weniger geradliniger Bereich. Charakteristisch für die Neigung dieses Bereiches ist ein Winkel Alpha. Ist Alpha groß, so spricht man von einem steil arbeitenden Material. Die Steigung DD/DH ist die Gradation g eines fotografischen Materials. Der Kopierumfang eines fotografischen Materials ist die Differenz zwischen zwei Belichtungswerten - jener Belichtung, die notwendig ist, 90 Prozent der maximalen Dichte hervorzurufen und einem Belichtungswert, der definitionsgemäß 0.04 Dichtepunkte über der Dichte Ds liegt.
Der Belichtungsspielraum eines fotografischen Materials ist der Bereich, in dem die Belichtung liegen sollte, damit das Material weder über- noch unterbelichtet ist. Je steiler die Gradation, desto geringer der Belichtungsspielraum des fotografischen Materials. Nach Möglichkeit sollte der Belichtungsspielraum den Helligkeitsumfang des Motivs abdecken. Um die Dichtekurve eines Materials zu bestimmen, belichtet man einen sogenannten Stufenkeil auf. Nach der Verarbeitung misst man mit einem Dichtemessgerät (Densitometer) die optische Dichte der einzelnen Stufen und stellt sie in eine Beziehung zur Belichtung - zunächst in einer Tabelle. Setzt man die Werte grafisch um, so entsteht die Dichtekurve.
Die Keilschrift
Will man nur eine vergleichende Aussage treffen, so kann man die belichteten Keile auch visuell beurteilen. Ein Keil, bei dem mehr Stufen sichtbar sind, der also mehr Grauwerte zwischen maximaler und minimaler Schwärzung hat, charakterisiert ein weicheres Material als ein Keil mit nur wenigen Graustufen. Aufnahmematerialien mit flacher Gradation setzen hohe Motivkontraste in geringe Bildkontraste um, während Materialien mit harter Gradation geringe Motivkontraste zu hohen Bildkontrasten verstärken. Bei normaler Gradation entsprechen die Motivkontraste weitgehend den Bildkontrasten. Sucht man nach den Ursachen für unterschiedliche Kontrastwiedergabe, muss man buchstäblich in die Tiefe der Materie - der fotografischen Emulsion - eindringen.
Zunächst eine Beobachtung: Niedrigempfindliche (langsame) Emulsionen zeigen meist einen kleinen Belichtungsspielraum und damit eine harte Gradation, während hochempfindliche Emulsionen genau in die entgegengesetzte Richtung tendieren. Untersucht man Proben einer Emulsion, die bei deren Herstellung entnommen werden, so beobachtet man, dass die Temperatureinwirkung nach der "Fällung" der Emulsion die Empfindlichkeit anhebt, die Gradation jedoch flacher wird. Die Emulsion wird dabei auf eine Temperatur von 50 bis 65°C erwärmt. Eine solche Temperaturbehandlung bezeichnet man als physikalische Reifung (oder Ostwaldreifung) einer fotografischen Emulsion. Die Fällung wird durch folgende chemische Gleichung charakterisiert:
AgNO3 + KBr = AgBr + KNO3
In Worten: Bringt man Lösungen von Silbernitrat und Kaliumbromid zusammen, ergeben sich Silberbromid (Feststoff) und Kaliumnitrat (Lösung). Silberbromid AgBr spielt im fotografischen Elementarprozess einen entscheidende Rolle:
n AgBr + Licht = Agn + n Br
Es liegt deshalb auf der Hand, dass die Gradation mit der Beschaffenheit von AgBr zusammenhängen muss. Um zu klären, worin dieser Zusammenhang besteht, untersuchen wir die Proben aus der physikalischen Reifung und stellen fest, dass es im Verlauf der Reifung zu einer Umverteilung bei den Größen der AgBr-Kristalle kommt: kleine Kristalle lösen sich auf, da ihre Löslichkeit größer ist als die großer Kristalle. Insgesamt nimmt die Zahl der Kristalle ab und deren mittlere Größe zu. Die Korngrößenverteilung wird im Verlauf der physikalischen Reifung breiter. Daraus können wir nun den Schluss ziehen, dass die Gradation einer fotografischen Emulsion durch die Korngrößenverteilung festgelegt ist.
Je enger die Korngrößenverteilung ist - das heißt: je weniger sich die Kristalle in ihrer Größe unterscheiden -, desto geringer der Belichtungsspielraum und desto steiler die Gradation. Und umgekehrt: je breiter die Korngrößenverteilung, also je unterschiedlicher die Größe der Kristalle in einer Emulsion ist, desto größer der Belichtungsspielraum und desto weicher die Gradation. Gleichzeitig können wir daraus ableiten: Je lichtempfindlicher fotografische Schichten sind, desto weicher die Gradation. Je feinkörniger eine fotografische Schicht ist, desto steiler die Gradation. Fazit: Die Gradation einer fotografischen Emulsion wird durch die Korngrößenverteilung der Silberhalogenid-Kristalle in dieser Emulsion bestimmt. Sie wird charakterisiert durch die Steigung des linearen Teils der Dichtekurve (g-Wert) und legt den Belichtungsspielraum und damit auch den Kopierumfang eines fotografischen Materials fest.
Der Betawert als Richtgröße
Neben dem Gamma-Wert für die Gradation eines Materials hat sich in den letzten Jahren der Beta-Wert durchgesetzt, auch als Kontrastindex, mittlere Gradation G oder G-Kontrast bezeichnet. Dieser Wert gilt nur für Filme und bezieht sich auf jenen Teil der Dichtekurve, der unter Durchschnittsbedingungen beim Fotografieren ausgenutzt wird. Der Beta-Wert ergibt sich aus der Steigung einer Gerade, die zwischen zwei Punkten auf der Schwärzungskurve gezogen wird. Ein Punkt liegt 0.1 Dichtwerte über der Schleierdichte, der zweite ist 1.5 Belichtungseinheiten davon entfernt. Im Gegensatz zum Gamma-Wert erfasst der Beta-Wert damit auch Teile der Schwärzungskurve, die nicht geradlinig verlaufen. Der numerische Wert von Beta ist immer kleiner als der von Gamma, eine direkte Beziehung zwischen beiden Werten existiert jedoch nicht.
Der Beta-Wert ist eng mit der Empfindlichkeit verknüpft, denn auch der sogenannte Empfindlichkeitspunkt eines Fotomaterials ist mit 0.1 über Schleier definiert.